Montag, 19. Dezember 2011

 

Weihnachtserinnerungen




Die Gäste freuen sich über die Weihnachtsüberraschung








Wenn man älter wird, erinnert man sich eher an das, was viele Jahre her ist, als an das was gestern geschah.
Da die Vorweihnachtszeit auch eine Zeit der Besinnlichkeit ist, so passiert es mir eigentlich jedes Jahr, dass ich in dieser Zeit an meine und die Kindheit meines Sohnes denke, und vor meinen Augen tut sich alles auf, was mich gern erinnern lässt.
Es wurde bei uns Zuhause auf alle Fälle immer viel gebacken. Meine Mutter konnte das hervorragend, und es wurden Weihnachtsstollen mit Rosinen, Orangeat, Zitronat und Rum gebacken. Meine Mutter bestimmte, was alles hinein muss, und mein Vater wurde für die letzte Phase des Teigknetens eingespannt. Die Stollen meiner Mutter hatten nämlich immer eine gewaltige Größe und sie schaffte es gar nicht mehr, diese “Riesen” zu bearbeiten. Mein Vater hatte ein Gemüt wie ein Schaukelpferd, und er knetete den Teig bis er Blasen schlug und Mutter formte dann die Laibe in Stollenform.
Nach dem Backen ging dann das mehrmalige Bestreichen mit Butter los. Der Stollen war noch warm und die zerlassene Butter, die nun rübergepinselt wurde, schwängerte die ganze Küche mit dem süßen Duft der guten Zutaten. Dann kam der Puderzucker drauf, und die ganze Prozedur wurde mehrmals wiederholt, bis sich eine dicke Zuckerkruste bildete.
Ich habe seither immer diesen Duft zu Weihnachten in der Nase, und ich kann mich nicht erinnern, jemals einen besseren Weihnachtsstollen, als den meiner Mutter, gegessen oder gerochen zu haben.
Es wurde auch viel gesungen bei uns. Meine Eltern waren ja noch jung und in der Nachkriegszeit war man verrückt nach Tanzmusik. Das Radio lief viel und wenn zum Beispiel ein Bing Crosby Song erklang, konnte es passieren, dass Vater und Mutter durch die Küche tanzten.
Manchmal war meine Mutter, ob der vielen Weihnachtsvorbereitungen auch sehr angespannt, um es mal schmeichelhaft zu benennen. Mein lustiger Vater schnappte dann seine beiden Töchter(meine Schwester ist zwei Jahre jünger), links und rechts unterm Arm, und wir trällerten meiner Mutti unser "Frohe Weihnacht, frohe Weihnacht, frohe Weihnacht überall!" entgegen, und sie konnte gar nicht anders als mit uns zu lachen.

Heiligabend gab es meist Kartoffel-Heringssalat und ungarische Knacker, wenn es sie denn gab. Im Osten war es ja nicht immer ganz einfach, sich kulinarisch auf etwas Bestimmtes festzulegen. Auch die Matjesfilets für den Salat waren manchmal schwer aufzutreiben, aber irgendwie haben wir es immer geschafft.
Unsere Großeltern kamen vorbei, die Lichter am Baum wurden angezündet und unsere Mama bat ins festlich geschmückte Wohnzimmer. Das Dekorieren der Wohnung zu Weihnachten war auch ein Ritual, das gepflegt wurde, und ich kann mich entsinnen, dass mein Papa oft sagte: "Nur nicht wieder zuviel Halleluja!", wenn er meinte, dass meine Mama zuviel des Guten trieb.
Meine Schwester und ich mussten dann Gedichte aufsagen. Das fiel mir leicht, und ich habe das auch gern gemacht. Besonders gefielen mir Gedichte von Theodor Storm. Unsere Großeltern verfolgten jedes Jahr mit Andacht unseren Rezitationen. Der eine Opa trug immer einen braunen Anzug mit Weste, aus der eine Goldkette hervorlugte, an der eine Taschenuhr befestigt war, die wir als Kinder bewunderten. Er rauchte gerne gute Zigarren oder benutzte beim Zigarettenrauchen eine Spitze. Das sah immer sehr elegant aus, und der Opa hatte auch Gamaschen über den Schuhen, was wir als sehr hochherrschaftlich einstuften, obwohl es nur aus einer vergangenen Zeit stammte, denn unser Opa arbeitete nach dem Kriege auf dem Bau und später als Buchhalter. Der andere Opa, väterlicherseits, hatte eher immer etwas spitzbübisches, war stets zu Scherzen aufgelegt und trug sein Haar, das schon etwas spärlich war, mit breitem Bürstenstrich gescheitelt, quer über den Kopf. Die Omas waren für uns nach damaligem Empfinden nicht so wichtig, für uns waren die Opas die Hauptpersonen. Sie gehörten zu den Opas einfach dazu. Die eine Oma mit Spitzenblüsschen und lockengewelltem Haar und die andere hatte eine Einsteckfrisur und trug meist Kleiderröcke.
Nach dem Aufsagen folgte die Bescherung. Wir bekamen unsere bunten Teller mit Süßigkeiten, Lebkuchen und Nüssen und auch über Bücher freuten wir uns sehr. Wenn es neue Kinderliteratur gab, dann haben meine Eltern die besorgt, und die Charles Dickens-Geschichte von "Scrooge" machte mir schon in der Kindheit große Freude.
An eine Begebenheit kann ich mich besonders erinnern. Wir hatten uns in einem Jahr einen Schlitten gewünscht. Wir packten die Geschenke aus, lugten in alle Ecken, aber nirgendwo war ein Schlitten zu entdecken. Wir waren traurig, trauten uns aber nicht zu fragen.
Als die Großeltern dann irgendwann weinselig den Heimweg antraten, brach der Opa mit der Scheitelfrisur in  schallendes Gelächter aus. Er hatte den Schlitten auf dem Treppenpodest vergessen und nun stand er dort noch. Wir Kinder waren natürlich froh, und der Opa bekam noch ein paar Küsschen mehr.
Es wurden auch immer Weihnachtslieder gespielt und mitgesungen und manchmal auch Geschichten vorgelesen.
Das Gedichte aufsagen wurde auch in der Familie meiner Schwester und in meiner Familie weiter geführt und auch unsere Kinder, wir haben beide Söhne, haben das mit großer Freude gemacht.
Heute muss mein Sohn kein Gedicht mehr aufsagen, aber er liest seinen Gästen, in dem von ihm geleiteten Hotel in Mecklenburg, vor dem Weihnachtsmenü die Weihnachtsgeschichte vor. Auch das ist dort zum Weihnachtsritual geworden, und ich freue mich auch dieses Jahr diese Tradition mit den anderen Gästen genießen zu können.
Ein schönes Weihnachtsfest wünscht
Klara


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